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Die Komplexität der Gaia-Hypothese: Wie wir unser Verständnis von Ökosystemen erweitern können

Aktualisiert: 3. Apr.

Die Gaia-Hypothese besagt, dass die Erde als Ganzes ein lebendiges Wesen ist und das Leben auf ihr entstehen ließ, um selbst zu überleben. Die enge Vernetzung und Verbindung aller Lebewesen untereinander, sowie mit ihrer Umwelt, ist ein wichtiger Aspekt. Die Gaia-Hypothese erweitert unser Verständnis von Ökosystemen und fordert uns auf, empathisch und achtsam mit der Natur umzugehen.


Inhaltsverzeichnis:


Naturgoettin zwischen Pflanzen im Wald
Quelle: Canva

Wir leben, weil Gaia lebt, und Gaia lebt durch uns


Gaia ist der griechischen Mythologie nach die große Mutter Erde, unsere Welt. Sie wird darin als aus dem Chaos entstanden beschrieben. Aus ihr wurden Ozean, Erdoberfläche und der Himmel. Ihre Darstellung als Göttin in der Mythologie ist würdevoll, drall und gesetzt, zur Hälfte aus der Erde entspringend, untrennbar mit ihr verbunden. Gaia zu Ehren wurden in ganz Griechenland Tempel errichtet, die dazu dienten, sie als Naturgottheit zu verehren. Sie wurde segenspendende Ernährerin, Gebärerin allen Lebens als auch rächende, wahrsagende Todesgöttin genannt. Sie ist die allmächtige Göttin, die Leben schenkt und Tote in ihren Schoß aufnimmt.


In Teilen der Wissenschaft bekommt Gaia als unser Planet Erde auch heutzutage einen besonderen Stellenwert zugesprochen. Einzelne betrachten die Welt heutzutage sogar als lebendes Geschöpf. Der Wissenschaftler James Lovelock entwickelte deshalb in den 1970er Jahren mit seinen Kollegen die Gaia Hypothese.


Die Gaia-Hypothese ist die Vorstellung, dass die Erde ein Lebewesen ist, so wie wir auch. Es ist die Annahme darüber, dass unser Planet, Mutter Erde, Leben auf sich entstehen lassen hat, um selbst zu überleben. Durch die Interaktion von Temperatur, Nährstoff-Gehalt der Ozeane, Beschaffenheit der Erdoberfläche, Zusammensetzung der Atmosphäre und anderen Phänomene bleibt das dynamische Fließgleichgewicht der Welt stabil und dient dem Zweck der Erhaltung und Weiterentwicklung allen Lebens. Dieses Leben kennen wir als unser Ökosystem, welches das Zusammenspiel von Geosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre, der wir als Menschen angehören, meint.


Der Gaia Hypothese zufolge beschützt und versorgt unsere Welt uns, sowie die gesamte Pflanzen- und Tierwelt, in jedem Moment des Lebens mit allem, was wir benötigen. Mit Luft, Wärme, Licht und Energie, mit Wasser, Nahrung und heilsamen Kräutern, sowie mit magischen Vorgängen wie Geburten von neuen Lebewesen erhält sie uns unser Miteinander, das wir Leben nennen. Diese Überlegungen führen zu dem Verständnis, dass unser Planet Erde mehr als nur unsere Umgebung ist. Gaia findet nicht nur außerhalb von uns statt, sondern sie ist vielmehr ein Teil von uns und in uns.


Die Gaia-Hypothese legt besonderen Wert auf die Bewusstheit über die enge Vernetzung und Verbindung zwischen allen Lebewesen untereinander sowie mit ihrer gesamten Umwelt. Die Erde dient infolgedessen als adaptives Kontrollsystem mit der Fähigkeit zur Selbstregulation und appelliert unmittelbar an das kollektive Verantwortungsgefühl der auf ihr lebenden Menschen. Alles hängt mit allem zusammen. Die Wichtigkeit von Kooperation und Symbiose als Faktoren der Evolution ist nicht mehr zu übersehen.


Welcher Kultur, welcher Gruppe, welcher Schicht, welchem Alter, welchem Geschlecht, welcher Religion wir auch immer angehören, wir sind dadurch nicht besser, schlechter oder wertvoller als die anderen, vielmehr drücken wir alle dasselbe auf unsere individuelle Weise aus. Denn wir alle sind Weltbürger. Und als diese sind wir dazu verpflichtet, für den Erhalt eben dieser Welt zu sorgen. Die Personifizierung der Welt gibt uns die Möglichkeit, eine Beziehung mit ihr einzugehen und empathisch sowie achtsam mit ihr umzugehen.


Die Gaia-Hypothese auf Zell-Niveau


Wir können die Gaia-Hypothese einmal kleiner denken und uns Menschen betrachten. Wir sind ein lebender Organismus, wie Gaia. Und wir können nur überleben, weil Leben in uns stattfindet, zum Beispiel auf Organebene. Genau geschaut funktionieren


  • unser Herzkreislaufsystem ähnlich der Hydrosphäre,

  • unser Entgiftungssystem ähnlich der Atmosphäre,

  • unser Ausscheidungssystem ähnlich der Geosphäre und

  • unsere kleinsten Einwohner, alle möglichen Stoffe, Viren und Zellen, ähnlich der Biosphäre.


Nun können wir auch diese Idee noch etwas kleiner denken, nämlich auf Zellebene.

Zellen bestehen aus


Darstellung einer Zelle
Quelle: Canva
  • einem Mitochondrium, das wie die Hydrosphäre arbeitet,

  • einem Endoplasmatischen Retikulum, das in seiner Funktion der Atmosphäre gleichkommt,

  • einem Golgi-Apparat, der die Geosphäre nachahmt und

  • den Ribosomen und anderen feinstofflichen Substanzen, das innere Milieu, welches wie eine kleine Biosphäre funktioniert.



Wenn wir auf die fünf Elemente des Lebens eingehen, so ist die Geosphäre das Element Erde, die Hydrosphäre das Element Wasser, die Biosphäre das Element Feuer, die Atmosphäre das Element Luft und die Ozonschicht, die Haut oder die Zellmembran das Element Äther (Raum).


In der Wissenschaft beschreiben wir die Entstehung unseres Lebens mit dem Begriff Mutualismus. Zellen entstanden aus der Symbiose von Bakterien. Lebewesen entstanden aus den Verbünden von Zellen. Biodiversität und die Spezies Mensch verdanken wir der Reinform von Symbiose in Kombination mit Differenzierung und Selektion, um sich an die Umgebung anpassen zu können, dem Mutualismus.


Wir sind ein Kunstwerk von 1,5 – 2 kg Bakterien in und auf uns, von mehr als 50 Billionen Zellen, über 1,5 Quadratmetern Haut, mindestens 20 Kilogramm Faszien und allen anderen Teilen, die unser Körpersystem zu bieten hat. Sie alle leben mit sich selbst und miteinander in Einklang und erhalten uns durch ein interdependentes Miteinander nicht einfach am Leben, sondern spielen zudem eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung unseres gesamten Systems Mensch - und somit unseres gesamten Systems Welt.


Bruno Latour und die Einteilung von Gaia in ihre kritische(n) Zone(n).


Ein großer Weiterdenker der Gaia-Hypothese war Bruno Latour, französische Professor an der Elitehochschule Sciences Po in Paris, Wissenschaftsphilosoph und als Erneuerer der Sozialwissenschaften bekannte empirischer Soziologe.


Gaia, das sei nicht nur die blaue Murmel, die wir aus dem Weltall sehen können, warnte Latour seine intelligenten Mitmenschen im Zeitalter des Anthropozän. Für ihn war der Fortschritt, der es uns ermöglichte, die Welt von außen zu sehen, eher Rückschritt. Die mechanische Aufteilung des Globus in Längen- und Breitengrade war für ihn, als würde der Mensch sich zum distanzierten Herrscher von der eigenen Mutter, unserer Welt, machen. Er sprach von der Entfremdung von unserem Planeten anstatt von einer Annäherung an ihn. Denn durch den Blick aus der Meta-Perspektive verlören wir die Identifikation mit der Komplexität des Wimmelbilds Leben. Wenn wir beobachtend draußen sitzen und nicht drinnen teilnehmen, dann entfernen wir uns von der Eigentümerschaft an der Veränderung unserer Welt und damit von der individuellen Verantwortung.


Aus diesem Grund führte Latour den Begriff „critical zone“ ein, die kritische Zone. Die kritische Zone verweist auf die biochemische, fragile, kaum sichtbare und hoch reaktive dünne Schicht, in der sich alles Leben entwickelt hat und in der sich alles Leben weiterentwickelt. Sie ist die einzige ihresgleichen, der wir universell auf all unseren Reisen durchs All je begegnet sind, und von da draußen sehen wir sie kaum. Sie ist nur wenige Kilometer dick und ist geprägt durch das Verhalten jedes einzelnen von uns Lebewesen auf ihr, insbesondere von uns Menschen.


Nun ist die kritische Zone unserer Welt jedoch nicht einfach eine ebene Erdoberfläche mit gleichbleibenden Zusammensetzungen aller feinen Teile in Luft, Wasser und Biosphäre. Vielmehr gleicht sie einem mehrdimensionalen Puzzle, bestehend aus unendlich vielen Teilen. Jede einzelne kritische Zone ist vernetzt miteinander und beeinflusst die Veränderung aller kleineren Teile der größeren kritischen Zone. Die Beobachtungen auf kleinster Ebene nutzt die Wissenschaft, um unterschiedliche Disziplinen zusammenzubringen und den gemeinsamen Einfluss zu erforschen und dadurch entsteht ein direkter Feedback-Mechanismus, der uns wieder in Verbindung bringt mit uns und der Welt in uns.


Die Einteilung in die kritischen Zonen ermöglicht somit jedem Einzelnen von uns, die Patenschaft über einen kleinen Teiles Planet Erde zu übernehmen. Wir sind Patentante und Patenonkel, Mutter und Vater, Schwester und Bruder, oder einfach bester Freund von der Erdoberfläche, auf dem wir gehen, vom Wasser, das wir trinken, vom Obst und Gemüse, das wir ernten, von der Luft, die wir atmen, und vom Raum, den wir um uns gestalten. Und alles, was wir denken, sagen oder tun, hat einen Einfluss auf die Welt in und um uns, sowie auf das große Ganze.


Naturbild mit einem Baum auf einer Wiese im Sonnenuntergang
Quelle: Canva

Fazit


Zunächst ließen James Lovelock und seine Kollegen den Großteil der Menschen in den 1970er Jahren in Befremdung aufschreien, denn wir waren weit entfernt von der Personifizierung unserer Welt. Zudem bedeutete die Gaia-Hypothese, sollte sie stimmen, die Personifizierung von allem, was lebendig ist, also auch Pflanzen, Rohstoffe, Zellen. Heutzutage beginnen wir zunehmend, die Gaia- Hypothese in all unsere Studien und Entdeckungen mit einzubeziehen. Wir freunden uns sozusagen mit allem, was ist, an und beginnen demnach, uns wieder mit dem Wimmelbild der komplexen Welt zu identifizieren.


Auch Bruno Latour ließ uns aufschreien. Und auch er vermochte es mit seinem Weitblick, uns zu wecken. Jeder von uns trägt seinen Teil zu einer gesunden Welt und einer glücklichen Gesellschaft aller Menschen und Lebewesen bei. Und zwar einfach nur, indem sich jeder einzelne von uns mit seiner kleinen kritischen Zone verbindet, ihr zuhört, sich mit ihr versöhnt und im Einklang mit ihr lebt.


FAQs


Was ist die Gaia-Hypothese?

Die Gaia-Hypothese ist die Vorstellung, dass die Erde ein lebendiges Wesen ist, das das Leben auf sich entstehen ließ, um selbst zu überleben. Es geht dabei um das Zusammenspiel von Geosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre.


Wer hat die Gaia-Hypothese entwickelt?

Die Gaia-Hypothese wurde in den 1970er Jahren von James Lovelock und seinen Kollegen entwickelt.


Welche Bedeutung hat die Gaia-Hypothese für unser Verständnis von Ökosystemen?

Die Gaia-Hypothese erweitert unser Verständnis von Ökosystemen, indem sie auf die enge Vernetzung und Verbindung aller Lebewesen untereinander sowie mit ihrer Umwelt hinweist. Sie fordert uns auf, empathisch und achtsam mit der Natur umzugehen.


Wer ist Bruno Latour und welche Bedeutung hat er für die Gaia-Hypothese?

Bruno Latour ist ein französischer Professor und Wissenschaftsphilosoph, der als Erneuerer der Sozialwissenschaften bekannt ist. Er hat die Einteilung in kritische Zonen eingeführt und betont, dass jeder von uns einen kleinen Teil der Verantwortung für den Erhalt der Welt übernehmen kann.


Wie können wir zum Erhalt der Welt beitragen?

Wir können zum Erhalt der Welt beitragen, indem wir uns mit unserer kleinen kritischen Zone verbinden, ihr zuhören, uns mit ihr versöhnen und im Einklang mit ihr leben. Jeder von uns trägt seinen Teil zu einer gesunden Welt und einer glücklichen Gesellschaft aller Menschen und Lebewesen bei.

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